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IAQ zum Corona-Hotspot Fleischindustrie: Selbstverpflichtung gescheitert

Die neuen gesetzlichen Regelungen und das Verbot von Werkverträgen werden die desolaten Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie nur ändern, wenn der Staat ernsthaft hinter der Umsetzung steht. "Der Kontrolldruck auf die Branche muss nachhaltig erhöht werden", fordert das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) in seinem aktuellen Report zum "Corona-Hotspot Fleischindustrie". Das brauche auch neue kooperative Kontrollstrategien zwischen den Arbeitsschutzbehörden, der Unfallgenossenschaft, den Sozialversicherungen, den Finanzbehörden und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit.

„Die neuesten Versprechungen der Branche sind Folge des politischen Drucks, nicht aber eines inneren Umdenkens in den Unternehmen“, kritisiert das IAQ-Team mit Prof. Dr. Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff und Dr. Claudia Weinkopf. Im Rahmen der Mindestlohnforschung verfolgt das IAQ seit Jahren die Entwicklungen in der deutschen Fleischwirtschaft, die als Branche inzwischen zum Synonym für Ausbeutung, Lohndumping und soziale Verantwortungslosigkeit der Arbeitgeber geworden ist. Gesetzliche Vorgaben, Mindestlohn und „freiwillige Selbstverpflichtungen“ wurden immer wieder umgangen, scheiterten am Widerstand der Fleischindustrie und ihrer Lobby oder einfach mangels wirksamer Sanktionen.

Die deutsche Fleischwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem Sektor mit vielen Kleinbetrieben zu einem industrialisierten Wirtschaftszweig mit wenigen Marktführern entwickelt. Die meisten Tätigkeiten des Kerngeschäfts wurden ausgelagert. Damit sollte der mit der Osterweiterung der EU verfügbare Pool billiger Arbeitskräfte besser ausgeschöpft werden. Die skandalösen Arbeitsbedingungen ließen sich in undurchsichtigen Subunternehmerstrukturen verschleiern.  Der Branchenmindestlohn ab August 2014 führte immerhin dazu, dass die zuvor von Werkvertragsunternehmen entsandten Beschäftigten jetzt meist Arbeitsverträge nach deutschem Arbeitsrecht haben und damit in das deutsche Sozialversicherungssystem einbezogen sind, was ihnen insbesondere Zugang zu einer Krankenversicherung in Deutschland verschafft hat.

Das „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ (GSA Fleisch) von 2017 wirkt in der Praxis nur begrenzt. Zwar hat sich laut Berufsgenossenschaft die Zahlungsmoral der Unternehmen bei den Sozialbeiträgen verbessert, eine große Kontrollaktion der Arbeitsschutzbehörden in NRW deckte aber im Spätsommer 2019 weiterhin massive Verstöße bei den Arbeitszeit- und Hygienestandards auf. Zudem hilft das Gesetz den Beschäftigten nur wenig, weil sie ihre Lohnansprüche weiterhin über ein zivilgerichtliches Verfahren von ihrem Arbeitgeber einfordern und vor Gericht die Beweislast tragen müssen. „Um zumindest Mindestlohnverstöße wirksamer aufzudecken und Lohnansprüche durchzusetzen müssen Arbeitszeiten manipulationssicher erfasst werden. De Beschäftigten brauchen das gesetzliche Recht zur Einsicht der Angaben,“ fordert das IAQ-Team.

Zum IAQ-Report

Bosch, Gerhard / Hüttenhoff, Frederic / Weinkopf, Claudia: Corona-Hotspot Fleischindustrie: Das Scheitern der Selbstverpflichtung. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2020-07

Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Gerhard Bosch
Frederic Hüttenhoff
Dr. Claudia Weinkopf

Quelle: IAQ, 13. Juli 2020