IW Köln: Integrationsmotor Zeitarbeit
"In den letzten Monaten ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Syrer, Afghanen und Iraker deutlich angestiegen. Dabei arbeitet nahezu jeder Siebte von ihnen in der Zeitarbeit. Diese dient insbesondere Ausländern häufig als Sprungbrett in andere Wirtschaftsbereiche", schreibt das IW Köln.
Derzeit entwickelt sich die Beschäftigung von Personen aus den wichtigsten Flüchtlingsherkunftsländern sehr dynamisch. So lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Syrer im April 2018 bei rund 73.000 und damit mehr als zehnmal so hoch wie fünf Jahre zuvor - also im April 2013 mit 6.500 - und mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr mit 34.400. Bei den Afghanen waren es im April 2018 mit 42.500 rund viermal so viele wie im April 2013 mit 10.800 und deutlich mehr als anderthalbmal so viele wie im April 2017 mit 26.800. Bei den Irakern lag der Wert im April 2018 mit 31.400 rund doppelt so hoch wie im April 2013 mit 14.300 und rund anderthalbmal so hoch wie im Vorjahresmonat mit 21.800 (BA, 2018a).
Damit einhergehend sind auch die Anteile der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter deutlich gestiegen. Für die Syrer lag der Wert im April 2018 bei 15,1 Prozent und damit gut doppelt so hoch wie im April 2017 mit 7,5 Prozent. Im April 2013 war der Anteil mit 18,9 Prozent allerdings noch deutlich höher. Hingegen lag der Wert bei den Afghanen im April 2018 mit 23,0 Prozent leicht höher als im April 2013 mit 22,2 Prozent und deutlich höher als im April 2017 mit 14,4 Prozent. Bei den Irakern lag der Wert mit 18,8 Prozent zwischen den anderen beiden Ländern, niedriger als im April 2013 mit 22,9 Prozent und wesentlich höher als im April 2017 mit 13,5 Prozent (BA, 2018a).
Trotz dieser sehr positiven Entwicklung ist die Beschäftigungslage von Personen aus den drei genannten Flüchtlingsherkunftsländern allerdings noch immer deutlich schlechter als die anderer Zuwanderergruppen. Im April 2018 lag der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an allen Ausländern im erwerbsfähigen Alter bei 41,9 Prozent und bei den Inländern waren es sogar 61,4 Prozent (BA, 2018a). Auch waren noch 52,0 Prozent der syrischen, 41,4 Prozent der irakischen und 27,5 Prozent der afghanischen Erwerbspersonen (ohne Selbstständige und Beamte) arbeitslos (BA, 2018a).
Dabei verfügen die wenigsten dieser Arbeitslosen über einen berufsqualifizierenden Abschluss. Die Anteile der Arbeitslosen mit formaler Berufsausbildung lagen im April 2018 bei den Syrern nur bei 12,9 Prozent, bei den Afghanen bei 7,1 Prozent und bei den Irakern bei 8,1 Prozent (BA, 2018b; eigene Berechnungen). Auch bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren die entsprechenden Anteile im Dezember 2017 (aktuelle Werte liegen nicht vor) mit 27,6 Prozent bei den Syrern, 18,4 Prozent bei den Afghanen und 20,5 Prozent bei den Irakern niedrig (BA, 2018b; eigene Berechnungen). Allerdings liegen für jeweils rund 40 Prozent der Beschäftigten aus den drei Ländern keine Angaben zur Berufsausbildung vor, sodass diese Werte das tatsächliche Qualifikationsniveau der Beschäftigten unter Umständen deutlich unterschätzen.
Nimmt man die Art der Tätigkeiten in den Blick, dominieren bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den drei Flüchtlingsherkunftsländern die einfachen Helfertätigkeiten, für die in der Regel keine Berufsausbildung notwendig ist. Im Dezember 2017 lagen die entsprechenden Anteile bei den Syrern bei 52,4 Prozent, bei den Afghanen bei 54,0 Prozent und bei den Irakern bei 56,6 Prozent. Im Vorjahresmonat waren es mit 44,4 Prozent, 46,7 Prozent und 52,0 Prozent noch weniger (BA, 2018b).
Betrachtet man, wo die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den drei Flüchtlingsherkunftsländern tätig sind, finden sich viele in kleinen und mittleren Unternehmen. Im Dezember 2017 arbeiteten 20,3 Prozent der Syrer, 20,8 Prozent der Afghanen und 22,7 Prozent der Iraker in Unternehmen mit unter zehn Beschäftigten im Vergleich zu nur 15,0 Prozent der Deutschen. In Unternehmen mit 10 bis 249 Mitarbeitern waren 55,0 Prozent der Syrer, 57,8 Prozent der Afghanen und 56,4 Prozent der Iraker beschäftigt, im Vergleich zu 51,4 Prozent der Deutschen (BA, 2018d).
Zudem stechen, wie die Abbildung zeigt, zwei Branchen sehr stark heraus. Die erste ist die Arbeitnehmerüberlassung oder Zeitarbeit, in der nahezu jeder sechste Syrer und Iraker, aber nur jeder fünfzigste Deutsche tätig ist. Die zweite ist das Gastgewerbe, wo für Afghanen und Iraker Anteile von gut 17 Prozent, für Deutsche aber nur von unter 3 Prozent zu finden sind. Des Weiteren sind auch noch in den nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige sogenannten „sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“ ohne die Arbeitnehmerüberlassung, zu denen insbesondere das Reinigungs- und Wachgewerbe zählen, weit überproportional viele Personen aus den drei Ländern beschäftigt. Größere Anteile an Beschäftigten aus den drei Ländern finden sich zudem im Handel und Baugewerbe.
Betrachtet man die Beschäftigungsstruktur bei Zeitarbeit und Gastgewerbe, zeichnen sich diese durch einen großen Anteil an einfachen Tätigkeiten aus. So arbeiteten im Dezember 2017 in der Zeitarbeit 58,5 Prozent und im Gastgewerbe 32,6 Prozent der Beschäftigten als Helfer. Bezogen auf alle Branchen lag der Anteil hingegen nur bei 15,3 Prozent. Auch arbeiten in der Zeitarbeit mit mindestens 25,6 Prozent und im Gastgewerbe mit 20,9 Prozent besonders viele Personen ohne berufsqualifizierenden Abschluss. Geht man davon aus, dass auch ein substanzieller Anteil der Beschäftigen ohne Angaben zum Qualifikationsniveau in diese Kategorie fällt, liegen die möglichen Maximalwerte sogar bei 36,8 Prozent in der Zeitarbeit und 46,1 Prozent im Gastgewerbe (BA, 2018c; eigene Berechnungen).
Dabei ist anzumerken, dass die Zeitarbeit den Beschäftigten die Möglichkeit bietet, Arbeitserfahrung in den Entleihbetrieben zu sammeln, die für einen späteren Einstieg in die entsprechende Branche sehr hilfreich sein kann. Dazu zeigt eine Untersuchung von Jahn (2016), dass gerade Ausländer die Zeitarbeit sehr häufig als Sprungbrett in eine andere Beschäftigung nutzen.
Allerdings ist mit Blick auf die langfristigen Perspektiven der Zuwanderer aus den Flüchtlingsherkunftsländern am Arbeitsmarkt von großer Bedeutung, dass sie sich berufsbegleitend noch weiter qualifizieren können. Zunächst sind Sprachkursangebote wichtig, die ihnen helfen, noch bestehende Lücken bei den Deutschkenntnissen zu schließen. Dann sollten sie die Möglichkeit erhalten, im jeweiligen Tätigkeitsfeld relevante berufsfachliche Kompetenzen zu erwerben, wobei jüngere Personen möglichst zu einer vollständigen regulären Berufsausbildung hingeführt werden sollten. Ergänzend sollten sie bei Bedarf Zugang zu Grundbildungsangeboten erhalten. Für die Bereitstellung und Vermarktung der entsprechenden Qualifizierungsangebote sollten staatliche Stellen, Kammern und Verbände sorgen. Vor allem für die kleinen Unternehmen mit unter zehn Mitarbeitern, die besonders viele Personen aus den Flüchtlingsherkunftsländern beschäftigen, ist es häufig bereits kaum leistbar, einen Mitarbeiter abzustellen, um die bestehenden Weiterbildungsangebote zu sondieren und das Richtige für die zugewanderten Kollegen herauszusuchen.
IW-Kurzbericht
Wido Geis: Integrationsmonitor Zeitarbeit
Quelle: IW Köln, 1. August 2018