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IAQ zu Arbeitsbeziehungen und Einkommensungleichheit: Löhne weiter unter Druck

Der soziale Dialog zwischen den Tarifpartnern ist in den letzten Jahren wieder in Gang gekommen - die soziale Spaltung damit aber nicht überwunden. Denn die Erosion des Lohnsystems hat große weiße Zonen ohne Tarifverträge und Betriebsräte entstehen lassen und der Anteil von Niedriglöhnen erreichte ein Spitzenniveau in der EU. "Der neue Mindestlohn setzt in diesem Lohnwettbewerb nur eine Untergrenze und kann die Unterspülung besserer Tarifverträge alleine nicht unterbinden", warnt der Arbeitsmarktexperte Prof. Dr. Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).

Im aktuellen IAQ-Forschungsbericht hat Bosch den Zusammenhang von industriellen Beziehungen und Ungleichheit in Deutschland untersucht. Nach der Wiedervereinigung begann die Mitgliedschaft in den Arbeitgeberverbänden zu bröckeln, was von der Politik aktiv durch die Deregulierung von Produkt- und Arbeitsmärkten gefördert wurde. Auch der politische Druck auf die wichtigsten Institutionen des Lohnsystems, das Tarifsystem und die Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen, nahm zu. Die Gewerkschaften mussten Öffnungsklauseln in Tarifverträgen akzeptieren.

Trotzdem spielt der soziale Dialog in jüngster Zeit wieder eine zunehmende Rolle in Deutschland. In vielen Branchen und Betrieben konnten die Gewerkschaften zu zentralen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen innovative Tarifverträge aushandeln. Es gab gute Kompromisse zwischen den Interessen der Unternehmen und Beschäftigten, etwa mit Arbeitszeitmodellen, die den Unternehmen mehr Flexibilität und den Beschäftigten mehr Wahlfreiheit zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie geben. Auch auf betrieblicher Ebene konnten wegweisende Vereinbarungen abgeschlossen werden, wie der Forschungsbericht u.a. mit der Fallstudie eines großen Stahlunternehmens zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Werkvertragsfirmen aufzeigt. Einen Markstein im sozialen Dialog bildet für Bosch die gemeinsame Bewältigung der Finanzkrise durch innovative Arbeitszeitmodelle und die Einstellung von mehr als 540 000 Auszubildenden mitten in der Krise. Auch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes – lange sehr umstritten – wurde letztlich gemeinsam von den Sozialpartnern beschlossen und umgesetzt.

Die Erfolge des sozialen Dialogs sollten aber nicht den Blick darauf verstellen, dass die Löhne durch die abnehmende Tarifbindung immer mehr zum Wettbewerbsfaktor geworden sind: „Schlechte Löhne verdrängen gute und noch schlechtere die schlechten“, so Bosch. Das Wachstum der Minijobs, der in der Praxis am wenigsten regulierten prekären Beschäftigungsform, belege die große Energie, mit der Unternehmen ständig Lücken im Lohnsystem suchen. Der Mindestlohn bilde hier nur eine Untergrenze, könne bessere Tarifverträge alleine nicht ersetzen. „Das kann nur durch eine Eindämmung bestimmter Formen prekärer Arbeit, wie die der Minijobs, und eine Stärkung der Tarifbindung verhindert werden“, fordert der Arbeitsmarktforscher.

Weitere Informationen:

Bosch, Gerhard 2017: Industrielle Beziehungen und soziale Ungleichheit in Deutschland. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Forschung, Nr. 2017-06

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Gerhard Bosch

Quelle: IAQ, 18. Oktober 2017