Landkreistag legt Vorschläge zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit vor
"Die Jobcenter stehen vor dem Hintergrund eines nach wie vor harten Kerns an langzeitarbeitslosen Menschen und von Zuwanderung, Internationalisierung und Digitalisierung vor großen Herausforderungen. So richtig und erfolgreich die Agenda 2010 auch war und noch immer ist: Die Jobcenter brauchen dringender denn je ein flexibles Instrumentarium, ausreichende finanzielle Möglichkeiten und vor allem so wenig bürokratische Vorgaben wie möglich. Nur dann kann es gelingen, die Zahl von unverändert 6 Mio. Hilfebeziehern und ihrer Familien signifikant zu reduzieren." Dies stellte der Präsident des Deutschen Landkreistages Landrat Reinhard Sager fest.
Im Rahmen der aktuellen politischen Diskussion geht es derzeit darum, wie das Gesamtsystem der Arbeitsförderung besser und effektiver ausgestaltet werden kann. In diesem Zusammenhang fordert der Deutsche Landkreistag mit dem Papier „Vorschläge zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit" u.a. folgende Maßnahmen:
- Die Zuständigkeit für die berufliche Integration während des Asylverfahrens sollte auf die Jobcenter übertragen werden. Dadurch können Schnittstellen vermieden werden, die insbesondere bei diesem Personenkreis besonders nachteilig sind.
- Der Aufbau (weiterer) beruflicher Qualifikationen und die Heranführung an den hiesigen Arbeitsmarkt z. B. durch Praktikumsplätze, Bewerbungscoaching und Qualifizierungsmaßnahmen muss als ganzheitlicher Ansatz insbesondere für die Gruppe der anerkannten Flüchtlinge und Asylberechtigten entwickelt werden.
- Die Bewirtschaftung der Kurse zur berufsbezogenen Sprachförderung sollte auf die Jobcenter übertragen werden. Zudem sollte den Landkreisen ermöglicht werden, die Koordinierung der Integrationskurse einschließlich der sozialpädagogischen und migrationsspezifischen Beratungsangebote zu übernehmen.
- Die intensive und ganzheitliche Betreuung von Jugendlichen bei der Ausbildungssuche durch die Jobcenter muss auch weiterhin gewährleistet werden. Dies darf nicht durch eine Übertragung auf die Arbeitslosenversicherung erschwert werden.
- Das Leistungsrecht und das Verfahrensrecht im SGB II müssen weiter vereinfacht werden. Dies gilt etwa für den Wegfall des Eigenanteils von 1 € bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung im Rahmen des Bildungspakets oder eine deutliche Bagatellgrenze bei Erstattungsforderungen.
- Ein besonderer Bürokratietreiber ist die sog. Bedarfsanteilsmethode bei der Einkommensanrechnung. Gemäß dem Individualprinzip ist die vertikale Einkommensanrechnung gesetzlich vorzuschreiben. Dadurch würde Erwerbseinkommen zunächst beim Erwerbstätigen selbst angerechnet.
- Die Möglichkeiten eines Sozialen Arbeitsmarktes müssen weiter ausgebaut werden. Insoweit müssen auch die kommunalen Beschäftigungsgesellschaften gestärkt werden.
- Bei den Arbeitsgelegenheiten müssen die Kriterien „zusätzlich", „im öffentlichen Interesse" und „wettbewerbsneutral" gestrichen werden. Im Dialog mit der örtlichen Wirtschaft können sinnvolle Ausgestaltungen entwickelt werden.
- Die Jobcenter benötigen für ihre anspruchsvolle und herausfordernde Tätigkeit im Interesse der Leistungsberechtigten eine auskömmliche Finanzausstattung. Um den Jobcentern eine vernünftige Planung zu ermöglichen, dürfen die Mittel nicht nur für ein Jahr feststehen, sondern müssen längerfristig planbar sein.
Als kontraproduktiv bezeichnete Sager Bestrebungen, die bewährten aufgabenteiligen Strukturen von Jobcentern (SGB II) und Arbeitslosenversicherung (SGB III) zu verändern hin zu einer stärkeren Zentralisierung über die Bundesagentur für Arbeit. „Dem treten wir insbesondere bezogen auf die Ausbildungsvermittlung entschieden entgegen. Es käme zu einer Verschlechterung für die Langzeitarbeitslosen. Mehrfachzuständigkeiten verschiedener Behörden wären die Folge, die Unterstützung gemäß dem Konzept von ‚Fördern und Fordern' würde erschwert", machte er deutlich. Die notwendige familienorientierte Unterstützung ginge ebenso verloren wie die Kernkompetenz der Jobcenter, Menschen mit oftmals schwierigen Biografien, fehlenden Bildungsabschlüssen, multiplen Vermittlungshemmnissen und sozialen Problemen bestmöglich zu helfen. „Hierbei ist von entscheidender Bedeutung, die Hilfen dezentral und stets bezogen auf den Einzelfall zu organisieren. Zentralisierende Ansätze sind fehl am Platz", so der DLT-Präsident abschließend.
Vorschläge zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit
Quelle: Deutscher Landkreistag, 16. Mai 2017